Architects for Tempelhofer Feld – 3.785 Unterschriften (21 December 2024 23:59)

AN: Senator Christian Gaebler
Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
Württembergische Straße 6  D–10707 Berlin

RE: DO NOT BUILD

German Version – hier unterschreiben

Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat am 13. November einen internationalen Ideenwettbewerb für die Zukunft des Tempelhofer Feldes ausgelobt. Der Wettbewerb beinhaltet ausdrücklich die Möglichkeit einer dauerhaften Bebauung des Tempelhofer Feldes. Sie wenden sich an uns Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen und Stadtplaner:innen, um als Expert:innen Lösungen zu finden, doch Ihr Drängen auf eine Bebauung des Feldes erfüllt uns mit Unverständnis und großer Sorge. Ohne Begründung wird riskiert, einen einzigartigen Freiraum mit seiner ökologischen, gesellschaftlichen und erinnerungskulturellen Bedeutung zu zerstören. Die Bebauung des Tempelhofer Feldes stellt keine kosteneffiziente und nachhaltige Lösung für mangelnden Wohnraum dar, sondern gefährdet eine klimagerechte und zukunftsfähige Stadtentwicklung.

Eine Gefährdung demokratischer Kultur

Im September 2024 hat eine Bürgerwerkstatt den Volksentscheid von 2014 bestätigt und die Bebauung des Tempelhofer Feldes einstimmig abgelehnt. Dennoch wird der Wettbewerb seitens des Berliner Senats dazu genutzt, die eigene Agenda zur Bebauung des Tempelhofer Feldes voranzutreiben. Diese Missachtung bürgerschaftlichen Engagements ist in höchstem Maße inakzeptabel. Die Einzigartigkeit des Feldes wird von den politischen Entscheidungsträger:innen mit erschreckender Ignoranz als reines Bauland betrachtet. Wir weisen Ihren Versuch zurück, Architekt:innen zu instrumentalisieren, um eine unpopuläre und undemokratische Entscheidung zu legitimieren, die anstatt den Bedürfnissen der Berlinerinnen und Berliner politischen Interessen dient.

Ein einzigartiger Ort, den die Berlinerinnen und Berliner bewahren wollen

Das Tempelhofer Feld ist eine wichtige kommunale Infrastruktur. Sein großer gesellschaftlicher Wert, die Bedeutung für die Artenvielfalt und die kühlende Wirkung auf das Stadtklima wurden durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung wissenschaftlich bestätigt. Darüber hinaus sollte sich der Senat dafür einsetzen, dass seine Einzigartigkeit und internationale Bedeutung als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt wird. Von einer „behutsamen Randbebauung“, wie Sie behaupten, kann keine Rede sein, da jede Bebauung den Wert des Feldes zerstören würde.

Wohnraum schaffen

Die Einschätzung des Stadtentwicklungsplans 2040 besagt, dass die Anzahl potentieller Baugrundstücke zur Errichtung aller in den kommenden Jahrzehnten in Berlin benötigter Wohnungen ausreichen würde – wobei das Tempelhofer Feld unberücksichtigt bleibt. Der Mangel an Grund und Boden ist nicht das primäre Problem in Berlin. Vielmehr fehlt es an der Umsetzung von Maßnahmen, die nicht nur den Neubau Zehntausender bereits genehmigter Wohnungen, sondern auch alternative Strategien einer ökologischen und sozial gerechten Schaffung von Wohnraum umfassen würden.

  • Durchsetzung des Verbots der Zweckentfremdung: In Berlin stehen 40.000 Wohnungen leer, wobei davon auszugehen ist, dass ein großer Teil dieser Wohnungen zu Spekulationszwecken “leer” gehalten werden.

  • Wiederverwendung leerstehender Gewerbeflächen: Eine effektivere Nutzung des Gebäudebestandes könnte zudem durch eine Umwidmung von Gewerbeflächen zu Wohnraum erfolgen, da in Berlin derzeit 1,5 Millionen Quadratmeter Büroflächen ungenutzt sind. In Mischgebieten und urbanen Gebieten kann auf diese Weise neuer Wohnraum geschaffen werden.

  • Eine Kultur des Weiterbauens: In Berlin werden nach wie vor Hunderte Wohnungen pro Jahr abgerissen, was eine verheerende Energiebilanz zur Folge hat. Diese sollten stattdessen einer Sanierung unterzogen werden, ohne dass die Kosten hierfür auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden.

  • Aufstockung: Die bewährte Überbauung von beispielsweise eingeschossigen Discountern muss fortgesetzt werden, da sich hier ein Potenzial für Zehntausende von Wohnungen bietet.

Die Bezahlbarkeitskrise direkt angehen

Der Senat scheint mit dem vorliegenden Versuch, die größte Freifläche der Stadt zu bebauen, eine klare Intention zu verfolgen: die Schaffung neuen Wohnraums. Allerdings erweckt die Vernachlässigung alternativer Möglichkeiten des Bauens sowie weiterer Instrumente zur Sicherung bezahlbarer Mieten den Eindruck, dass vor allem eine renditeorientierte Stadtentwicklung begünstigt wird. Heute werden Zwangsräumungen und Eigenbedarfskündigungen als Werkzeuge genutzt, um maximale Gewinne für Investor:innen zu erzielen. Diese Art von Spekulation sollte umgehend verboten werden. Die Krise der Bezahlbarkeit sollte durch die Umsetzung des Volksentscheids von 2021 zur Vergesellschaftung privater Großvermieter angegangen werden. Die Fokussierung des Senats auf die Förderung des Bauens ohne Berücksichtigung des Mieterschutzes ist zu kritisieren.

Wir fordern, dass das Feld von dauerhafter Bebauung freigehalten wird und das ThF-Gesetz, welches das Feld schützt, erhalten bleibt.

Die Ergebnisse des Volksentscheids von 2014 sowie das Resultat der Bürgerwerkstatt sind zu respektieren. Der Senat ist dazu verpflichtet, die Zerstörung einen der größten Schätze Berlins zu verhindern und das Tempelhofer Feld den Berlinerinnen und Berlinern zur Verfügung zu stellen. Als Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen und Stadtplaner:innen setzen wir uns für eine Stadt- und Wohnungspolitik ein, die lokale Netzwerke und städtische Initiativen aktiv einbezieht und eine demokratische Teilhabe ermöglicht. Nur so kann eine ökologische und soziale Wende beim Bauen erreicht werden.

English Version

On November 13, the Berlin Senate Department for Urban Development, Building and Housing announced an international idea competition for the future of Tempelhofer Feld. The competition explicitly includes the possibility of permanent buildings on Tempelhofer Feld. As architects, landscape architects and urban planners, the experts to whom you have turned for solutions, your insistence that the field be built on fills us with incomprehension and great concern. Without justification, there is a risk of irreparably destroying a unique open space that holds immense ecological, social and historical value. Building on Tempelhofer Feld is neither a cost-effective nor a sustainable solution to the lack of living space, but threatens climate-friendly and resilient urban development.

A Threat to Democratic Culture

In September 2024, a citizens‘ workshop confirmed the 2014 referendum and unanimously rejected the development of Tempelhofer Feld. Despite this, the Berlin Senate is using the competition to advance its agenda for building on the field. This disregard for civic engagement is highly unacceptable. Instead of appreciating the uniqueness of the field, politicians see it with appalling ignorance as nothing more than a building site. We reject your attempt to instrumentalize architects to legitimize an unpopular and undemocratic decision that is being made to serve political interests rather than the needs of Berliners.

A Unique Place which Berliners Want to Keep

Tempelhofer Feld is a crucial piece of communal infrastructure. Its great social value, its importance for biodiversity and its cooling effect on the urban climate have been scientifically confirmed by the Helmholtz Centre for Environmental Research. The Senate should strive to have its uniqueness and international importance recognized as UNESCO World Heritage. There can be no such thing as a “careful peripheral building development”, as you claim, when any building development would destroy the field’s value.

Creating Living Space

According to your office’s own assessment, there are more than enough building sites to meet Berlin’s housing needs over the coming decades, before even considering Tempelhofer Feld. Berlin does not suffer from a lack of land but from inadequate implementation of existing policies. Not only of new construction but of many policies which would create new apartments in a more ecological and socially just way:

  • Enforcing the ban on misappropriation: Berlin has 40,000 vacant apartments, many kept “empty” for speculative reasons.

  • Reusing vacant commercial spaces: 1.5 million square meters of vacant commercial space in Berlin could be transformed into mixed-use developments.

  • Promoting a building culture of “building on the built”: Each year, hundreds of apartments are being demolished in Berlin, causing a devastating energy balance. These should instead be renovated, with protections against cost transfers to renters.

  • Adding storeys: The tried-and-tested approach of building over single-storey discount stores, for example, must be continued. There is potential for tens of thousands of apartments here.

Address the Affordability Crisis Directly

The Senate’s proposal to build on the largest open space in the city suggests a desperate attempt to appear active on housing. However, when you on one hand neglect all of these ways to build, and on the other hand disregard numerous instruments to keep rents affordable, it signals that the current urban development strategy is simply to facilitate speculation. Today, forced evictions (“Zwangsräumungen”) and terminations for personal use (“Eigenbedarfskündigung”) are used as instruments of speculation. These practices should be banned immediately. The affordability crisis must be addressed by implementing the 2021 Referendum for socializing Berlin’s mega-landlords. The Senate’s fixation on construction at any price rather than protecting renters deserves criticism.

We appeal, that the field remains free from permanent construction and the ThF-Gesetz, which protects the field, to be preserved intact.

The 2014 Referendum and the outcome of the citizen’s workshop must be respected. The Senate must avert course from the destruction of one of our greatest treasures, and concede Tempelhofer Feld to Berliners. As architects, landscape architects, and urban planners, we advocate for an urban and housing policy that actively includes local networks and urban initiatives, and promotes democratic self-administration. This is the only way to achieve an ecological and social turnaround in construction.

Architects for Tempelhofer Feld; Bika Rebek, Chiara Colapietro, Fanny Brandauer, Jochen Jürgensen, Jolene Lee, Malte Wilms, Martina Guasco, Shalini Vimal, 100% Tempelhofer Feld, Akazienkiezblock, Allmende-Kontor e.V., Architects4Future Berlin, Bauarbeiter4Future, das Abrisskollektiv, dasselbe in grün e.V., EcoMujer e.V., Feld Food Forest e.V., Feminist Park Collective, Floating e.V., Klimaneustart Berlin, roundabout e.V., Tactical Tech, Tempelhofer Berg e.V., THF.VISION gUG, The Architecture Lobby, Urbane Praxis e.V.

Prof. Arno Brandlhuber; bplus.xyz, Prof. Benjamin Foerster-Baldenius; Städelschule / Raumlabor Berlin, Charlotte Malterre-Barthes; RIOT/ EPFL, Enlai Hooi; Schmidt Hammer Lassen, Olaf Grawert; bplus.xyz, Theresa Keilhacker; KAZANSKI . KEILHACKER | URBAN DESIGN . ARCHITEKTUR

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