Sonderbauzone (SBZ) IBA 2020

110503_P1030167_Schönerlinde Str. 6Berlin macht sich auf den Weg. Was ist passiert? Über die Jahre hat die Stadt vergessen, ihre Hausaufgaben zu machen. Kann man das so einfach behaupten? Ja, man kann.

Berlin wächst. Was wächst und wo? Die Zahl der Haushalte nimmt zu, mehr Singles, mehr kleine Familien, jedoch bei gleich bleibender Einwohnerzahl. Das ändert sich und soll sich mehr ändern, es soll Zuzug nach Berlin geben, mehr Kinder, insgesamt mehr Einwohner.

Was benötigen mehr Einwohner? Wohnungen, aber auch Kita- Plätze und Schulen. Mithilfe des Bund- Länder- Programms Stadtumbau Ost wurden ab 2002 Kitas abgerissen und umgenutzt, leerstehende Schulen abgerissen, die freien Grundstücke dem Liegenschaftsfonds übergeben, der sie meistbietend verhökert hat, an Discounter und andere Bedürftige.

Ist Berlin arm, und muss Grundstücke verkaufen, oder macht sich die Stadt arm mit dem Verkauf ihrer Grundstücke?

Was unternimmt Berlin heute? Verschiedenes, lässt sich salomonisch sagen. Geld ausgeben. Angeblich kostet jeder Monat Stillstand am Flughafen BER das Land 2 Millionen Euro. Früher konnte an mancher Schule kein Musik und Sport unterrichtet werden, weil die Lehrer Ausreiseanträge gestellt haben. Heute haben Lehrer das Burn- Out- Syndrom oder können nicht unterrichten, weil die Sporthallen baupolizeilich gesperrt sind, wie z.B. in Marzahn/Hellersdorf oder in Zehlendorf/Steglitz.

Berlin braucht für seine angeblich so vielen neuen Einwohner neue Wohnungen. Womit hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren beschäftigt? Haben sich Senat und Politiker mit den Bedürfnissen ihrer Einwohner beschäftigt? Was bleibt, außer den bekannten und inzwischen blassen Sprüchen des Regierenden Bürgermeisters?

Eine IBA 2020 Wohnen soll her, mit ihrer Hilfe soll die Draußenstadt zur Drinnenstadt werden. Wer ist drinnen und wer ist draußen? Geht es mit diesem Konzept um respektvollen Umgang mit Stadtraum und seinen Qualitäten, oder soll dieses Motto schlicht dafür herhalten, das Draußen so zu verdichten, wie das Drinnen schon verdichtet wurde und weiterhin wird?

Warum bedarf es für diesen Prozess des Instrumentes einer Internationalen Bauausstellung? Könnte es nicht sein, dass sich Bezirke und Senat auf gemeinsame Konzepte, Strategien und Vorgehensweisen verständigen, um sinnvoll und mit Augenmaß auf landeseigenen Grundstücken Wohnungsbauprojekte angehen? Wäre es nicht klug, mit den Bedürfnissen der Bewohner im Blick und ihrem Engagement lokale Prozesse und Initiativen zu unterstützen? Warum sollen nicht Eltern gemeinsam mit Architekten und findigen Mitstreitern in der Verwaltung an Grundrissen arbeiten, um die beste Lösung für ihre Patchwork Familie oder ihre Baugruppe zu finden? Sicher muss es auch die praktische und bezahlbare Wohnung für den Single- Haushalt geben. Aber warum sollen nicht neue Modelle des Nebeneinander- Wohnens und Arbeitens erprobt werden? Ein Café mit W- lan Anschluss ist ebenso ein Ort zum Nachdenken und Schreiben, wie zum Treffen und Reden.

Es gilt neue Modelle des Zusammenlebens zu erproben. Familienbilder haben sich gewandelt, die Grenzen von Wohn- und Arbeitswelt sind fließend. Für diese neuen funktionalen Bezüge, getragen von lokalen Initiativen, lohnt es sich, einen Experimentierraum zu schaffen- eine Sonderbauzone IBA, eine neue SBZ.

Was gehört zu einer SBZ IBA?

Die Akteure sind bereits in Berlin präsent, sie sind da. Baugruppen gibt es zur Genüge, auch Bedürftige, die es sich in der Drinnenstadt nicht mehr leisten können, zu arbeiten und zu wohnen. Initiativen, die sich mit Projekten der Stadtentwicklung beschäftigen. Es gilt, die Akteure anzusprechen und zu unterstützen.

Berlin hat eigenes Land. Es gilt, für Berlin neue Modelle der Liegenschaftspolitik anzugehen. Erbbaupacht, Zwischennutzungen mit Evaluationen und Optionen auf Verlängerung bei gemeinnnütziger Verwendung.

Berlin hat eine zweistufige Verwaltung, darin liegt auch eine Chance.

Die vor- Ort kundige Bezirksverwaltung muss gestalten und beraten und Prozesse kreativ begleiten. Hierzu bedarf es eines klaren Mandats der Politik, die fördern und unterstützen sowie Alternativen ermöglichen, jawohl! muss.

Ein Senat ist kein Bezirk. Ein Senat kann koordinieren, ausgleichen und Rahmenbedingungen setzen. Er sollte auf jeden Fall lokale Initiativen zulassen und sich von einem hoheitlichen Anspruch auf jeden gebauten Stein der Stadt verabschieden.

Ein Senat kann für neue Modelle des Zusammenlebens, für neue Funktionen in der Stadt für einen begrenzten Zeitraum Regelwerke außer Kraft setzen, steuerliche, bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche, um einen Experimentierraum zu schaffen.

Vertrauen zwischen den lokalen Akteuren und der Verwaltung ist die Grundlage dieser Sichtweise. Eine offene und von gegenseitigem Respekt getragene Kommunikation ist unabdingbare Voraussetzung, um die Akteure zu erreichen. Es gilt ein Forum zu schaffen, das mehr als die 100 Eliten der Stadt anspricht (wer legt fest, wer zu diesen 100 gehört?)!

Die Stadt braucht keine Klausur. Die Stadt benötigt eine öffentliche Diskussion über ihre Ziele, ihre Visionen, ihre Bedürfnisse. Keine Sprüche.

Das wäre ein Fundament für eine Sonderbauzone IBA.

Berlin, 25. März 2013 – Georg Balzer, Stadtplaner

1 Gedanke zu „Sonderbauzone (SBZ) IBA 2020“

  1. Super! Bin mit nahezu allem einverstanden. Ich habe auch immer noch vor, Ähnliches mir „von der Seele“ zu schreiben… Das Problem der IBA ist das „I“. Wir brauchen keine internationale Architektenparty, die immergleiche Lösungen anbietet (was sollen sie auch anderes tun?) sondern durchdachte, regionale Konzepte.
    Berlin hat alles: die Motivation, eine internationale (!) junge Architektenschaft, die Grundstücke, den Bedarf, die Kompetenz in kleinteiliger Projektentwicklung, die vielschichtige, „offene“ Gesellschaft, die mehr will als Standardlösungen, nur eines nicht: EINE POLITIKERRIEGE UND EINE VERWALTUNG, die das versteht.
    Die spezifische Mischung aus Arroganz und Imkompetenz der politischen „Entscheider“ in dieser Stadt spottet jeder Beschreibung.
    Jeden Monat verliert die Stadt nicht nur 2, sondern 20 Millionen € an ihre Unfähigkeit, einen Großflughafen zu bauen. Das sind etwa 100 – 150 Wohnungen, die jeden Monat durch den Kamin geschickt werden.
    Eigentlich schon genug für einen Volksaufstand…

    Grüße aus den Niederungen…

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